- Ab November können die britischen Ärzte bestimmte Produkte auf Cannabis-Basis verschreiben.
- Expertenberichte befürworteten die Legalisierung von Cannabis zu medizinischen Zwecken.
- Die Regierung des UK betont jedoch, dass die Maßnahmen kein Schritt in Richtung Legalisierung von Marihuana als Genussmittel sind.
Das Vereinigte Königreich sorgte diesen Sommer gehörig für Überraschungen, als seine Regierung grünes Licht für eine mögliche Verschreibung von Produkten auf Cannabis-Basis für therapeutische und medizinische Zwecke gab. Noch im November werden die ersten Regelungen in Kraft treten. Dieser Kurswechsel ist z. T. dem Kampf des kleinen Billy Caldwell und seiner Mutter Charlotte zu verdanken, der öffentlich deutlich machte, wie wichtig dieses Thema für die Gesundheit nicht nur dieses 13-jährigen Jungen ist. Billy leidet an einer schweren Form von Epilepsie, die durch besonders heftige Anfälle gekennzeichnet ist, und wie seine Mutter wiederholt betont hat, ist Cannabisöl eins der wenigen Mittel, das dem Jungen die heftigen Krampfattacken erspart.
Dass Billy und seine Mutter schließlich eine regelrechte Kampagne für die Legalisierung der Marihuana-Nutzung zu therapeutischen Zwecken starteten ist einem Zwischenfall am Flughafen geschuldet. Die Caldwells kamen gerade von einer Reise nach Kanada zurück. In ihrem Gepäck befand sich ein Fläschchen mit Cannabis-Öl, das sie dort erworben hatten. Als sie die Sicherheitskontrolle durchliefen, wurden Charlotte und Billy festgenommen. Die Anklage: versuchter Drogenimport. Die Flasche mit Billys Medizin wurde konfisziert, ohne dass sie etwas dagegen tun konnten.
Wenige Tage später wurde Billy nach einem schweren epileptischen Fall in die Notaufnahme eingeliefert – eine Entwicklung, die seiner Mutter zufolge durch das am Flughafen beschlagnahmte Öl verhindert werden hätte können. Also wandte sich Charlotte an die Öffentlichkeit. Ihre Kampagne in den sozialen Netzwerken schlug nicht nur ein wie eine Bombe, sondern entfachte auch abermals die Debatte über den therapeutischen Wert von Marihuana. Zahlreiche Menschen schlugen sich auf die Seite der Familie Caldwell. Das Argument, das dabei am häufigsten fiel, war, dass es einfach nicht logisch sei, Personen mit bestimmten Krankheiten den Zugang zu Produkten zu verwehren, die ihnen eine bessere Lebensqualität ermöglichen könnten.
Billy hat bereits zweifach Lizenzen für die Verwendung von Produkten auf Cannabis-Mitteln erhalten, die erste davon, als er sich gerade in London in medizinischer Behandlung befand, die zweite in Nordirland, wo er aktuell mit seiner Mutter lebt. Anderen Kranken jedoch, die sich in der gleichen Lage befinden, wurden diese Lizenzen verwehrt. Dass der Zugang zu den Produkten so willkürlich, von nichts als dem Gutdünken der jeweiligen Behörde abhängig ist, hat gezeigt, dass die gültige Regelung keine effiziente Lösung für die Streitfrage medizinisches Cannabis bieten kann.
Die Vernunft siegt
Nach dem Zwischenfall am Flughafen und angesichts der öffentlichen Unterstützung für Billy und seine Mutter entschloss sich die britische Regierung zum Handeln. Der britische Innenminister, Sajid Javid, war es, der schließlich bekanntgab, dass das Vereinigte Königreich sich der zunehmend längeren Liste von Ländern anschließen würde, die die therapeutische Verwendung von Cannabis auf Rezept hin zulassen.
Diese Entscheidung ist einerseits auf den Druck der britischen Bürger, andererseits auf die Fürsprache verschiedener Persönlichkeiten aus dem Gesundheitswesen zurückzuführen. Die leitende medizinische Offizierin etwa, Dame Sally Davies, sprach in einem Bericht von eindeutigen Beweisen für die medizinischen Vorteile von Marihuana. Das Beratungsgremium für den Missbrauch von Drogen (Advisory Council on the Misuse of Drugs, ACMD) verfasste einen zweiten Teil des Berichts, der Davies' Position zusätzlich stützte und zum Schluss kam, es sei ein positiver Schritt, die Verschreibung von Cannabis-Produkten zuzulassen. Zusätzlich wurde darauf hingewiesen, dass medizinische Cannabis-Produkte von der Annex 1- (Produkte, die keinerlei anerkannten therapeutischen Wert haben) in die Annex 2-Auflistung der Regelung über den Missbrauch von Drogen überführt werden sollten, womit der medizinische Wert der Produkte legal anerkannt und obendrein die Forschung über die Vorteile der Pflanze erleichtert werden würden.
Bereits 2016 hatte die medizinische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel Großbritanniens, die Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA), eine Wertung von Produkten mit dem Inhaltsstoff CBD als Medikament zur Diskussion gebracht. Daraufhin verdoppelte sich der Konsum von CBD-haltigen Produkten von 125 000 Konsumenten im Jahr 2016 auf mehr als 200 000 im Jahr 2017. Die Produkte hingegen, in denen sich THC findet, ereilte ein anderes Los: Hier blieb die britische Rechtslage wesentlich strenger und inflexibler.
Angesichts dieser Vorgeschichte, des öffentlichen Zuspruchs und der ebenfalls befürwortenden Berichte der Spezialisten aus dem Gesundheitswesen zögerte die britische Regierung nicht mehr lange, die entsprechenden Gesetzesänderungen vorzunehmen, damit Produkte auf Cannabis-Basis Patienten verschrieben werden können – ein Kurswechsel, mit dem die lange Ära des Cannabis-Verbots seit 1920 zu Ende geht.
Schritt für Schritt
Die britische Regierung hat verschiedenste Initiativen angekündigt, darunter u. a. eine unmissverständliche Definition dessen, was unter medizinischen Produkten auf Cannabis-Basis zu verstehen ist. Zuständig hierfür sind das Gesundheitsministerium und die MRHA. Somit können nur noch diejenigen Folgeprodukte, die unter diese Definition fallen, als medizinisch gewertet und von den Ärzten verschrieben werden.
Doch auch wenn die britischen Behörden in Bezug auf medizinisches Cannabis einen großen Schritt nach vorne gewagt haben, haben sie sich gleichzeitig auch klarzustellen beeilt, dass diese Gesetzesänderungen keineswegs den Auftakt zu einer totalen Legalisierung bilden. Marihuana soll vielmehr weiterhin auf der Liste der Klasse B-Drogen bleiben, was heißt, dass sowohl der Konsum als auch der Handel mit Cannabis mit erheblichen Sanktionen und sogar Haftstrafen geahndet werden kann, die im schlimmsten Fall bis zu 14 Jahre betragen können.
Diese Erklärung steht im Einklang mit der traditionellen Position der Conservative Party, die auch an der aktuellen britischen Regierung beteiligt ist und legalen Fortschritten in Sachen Marihuananutzung stets ablehnend gegenüberstand. Andere im Parlament vertretene Parteien hingegen haben sich anders als die konservativen tories immer für eine tolerantere Gesetzgebung ausgesprochen, mit der die Vorteile der Pflanze genutzt werden können: die UKIP, die Liberaldemokraten und die Scottish National Party beispielsweise. Die Position der der zweiten großen Macht neben der konservativen Partei wiederum, der Labour Party, ist weniger eindeutig.
Angesichts dieser Gesetzesänderungen, des öffentlichen Zuspruchs und der Unterstützung zwar noch in der Minderheit befindlicher, aber dennoch durchaus präsenter und einflussreicher Parteien wäre es nicht verwunderlich, wenn die Rechtslage sich auf mittlerer Frist auch in Bezug auf Cannabis-Produkte generell und vielleicht auch den Genussmittelkonsum stärker öffnen würde. Eins ist aber fernab derartiger Hypothesen zur zukünftigen Entwicklung der Gesetze bereits jetzt klar: Dank der Beharrlichkeit einer Mutter, dem Druck der öffentlichen Meinung und unwiderlegbaren wissenschaftlichen Beweisen wird das Vereinigte Königreich bald tausenden von Menschen eine bessere Lebensqualität ermöglichen – mit der medizinischen Nutzung eines „simplen" Naturprodukts, Cannabis.
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