Cannabis en laboratorio

THC aus Hefe? Cannabinoidproduktion per Gentechnik

  • Mehrere Biotech-Unternehmen arbeiten an einer Innovation, die die Welt der Cannabisproduktion, wie wir sie bislang kennen, völlig verändern könnte.
  • Sie nutzen die DNA der Pflanzen, um mit Hefezellen Cannabinoide herzustellen, ohne erst die Cannabispflanzen anbauen zu müssen, die sie von Natur aus produzieren.
Cannabis en laboratorio

Cannabis produziert mehr als hundert verschiedene chemische Verbindungen, die als Phytocannabinoide bezeichnet werden. THC und CBD sind die beiden beliebtesten, doch es gibt dutzende andere Cannabinoide mit großem Potenzial für den Genussmittelkonsum oder medizinische Zwecke. Das Problem ist, dass sie teilweise in derart geringen Mengen vorliegen, dass es keinen rentablen Weg gibt, sie zu extrahieren und zu konzentrieren. Um an diese seltenen Cannabinoide zu kommen, kann man also nur zu den Blüten oder anderen Konsummethoden greifen, bei denen die ganze Pflanze genutzt wird.

Dies ist beispielsweise auch beim sogenannten Delta-8-THC der Fall, einem weniger bekannten Isomer des Delta-9-THC, des wohl typischsten Cannabinoids der Cannabispflanze. Wenn man THC-Konzentrate kauft, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie Delta-8-THC enthalten, nicht allzu groß – dabei hat Delta-8-THC eine deutlich schwächere psychoaktive Wirkung und auch einige therapeutische Vorteile, die die Delta-9-Version nicht bietet.

In der Forschung wird Delta-8-THC beispielsweise im Zusammenhang mit dem Absterben von Krebszellen und dem Rückgang von Tumoren gehandelt. Extrakthersteller oder Cannabisbauern finden jedoch keinen Weg, an genügend Delta-8-THC zu kommen, um es, etwa in Form von Kartuschen fürs Vapen, auf den Markt bringen zu können. Falls es jedoch möglich wäre, die DNA der Pflanze zu sequenzieren, die Delta-8-THC von Natur aus produziert, so könnten größere Mengen dieses spezifischen Cannabinoids im Labor hergestellt werden. Und wer weiß, vielleicht mündet dies wiederum in die Entwicklung einer neuen Krebsbehandlung auf Cannabisbasis?

Eine Methode, die sich für die Cannabis-Industrie als sehr rentabel erweisen könnte

Cannabinoide direkt mit DNA zu produzieren ohne erst Pflanzen anbauen zu müssen bietet viele Vorteile: Die Synthese im Labor hängt nicht von Wetter- und Wachstumsfaktoren oder regionalen Variablen ab. Alles ist beständiger, vorhersehbarer und damit auch rentabler. Zudem hat das Cannabis-Überangebot die Gewinnspannen der Bauern bereits deutlich reduziert; der Hanfanbau erweist sich zunehmend als Sektor mit sinkenden Erträgen. Dass eine Technologiefirma sich mit Cannabis beschäftigt, und nicht die Landwirtschaft, ist vielleicht ein Zeichen für das, was uns in der Zukunft erwartet.

Genética de marihuana

Die kanadische Firma Hyasynth Bio gehört zu den aufstrebenden Unternehmen auf diesem Gebiet und will sich auf die Entwicklung von medizinischen Cannabisprodukten mittels zellulärer Landwirtschaft konzentrieren. „In ein paar Jahren wird das viel effizienter sein als Pflanzen anzubauen", erklärt Kevin Chen, der Präsident der in Montreal ansässigen Firma.

Bei diesen Verfahren von zellulärer Landwirtschaft wird die DNA eines bestimmten Cannabinoids verwendet und im Bioreaktor nachgebildet. Hyasynth beispielsweise konzentriert sich auf die Reproduktion von CBDV, einem Cannabinoid, das zur Behandlung von Epilepsiepatienten genutzt wird, mit traditionellen Anbaumethoden aber nicht in ausreichend großer Menge hergestellt werden kann, um die Nachfrage zu decken.

Dieses Problem jedoch könnte sich mittels zellulärer Landwirtschaft lösen lassen, denn Hyasynth hat einen Weg gefunden, den Teil der Cannabis-DNA, der CBDV kodiert, in das Erbmaterial von Hefezellen einzufügen. Mit anderen Worten: Der Pilz wird zur effizienteren CBDV-Quelle als die Pflanze selbst. Auch bei der Bierherstellung schließlich fungiert Hefe im Prinzip wie eine Fabrik, in der Zucker zu Alkohol umgewandelt wird.

Hyasynth beabsichtigt die DNA von Hefe oder anderen Mikroorganismen zu modifizieren, damit ihre Enzyme ein Gemisch aus Zucker, Vitaminen, Stickstoff und anderen Stoffen zu THC, CBD und anderen im Marihuana enthaltenen Verbindungen umwandeln. Statt auf dem Feld heranzuwachsen werden die Cannabinoide in gigantischen Metallwannen wie denen von Brauereien produziert.

So eine genetische Steuerung hat einige Vorteile. Der erste Vorteil ist, dass Produkte mit einer ganz bestimmten Menge von Cannabinoiden hergestellt werden können, die genau auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt sind – ein großes Plus besonders für medizinische Zwecke. Beim traditionellen Hanfanbau hingegen sieht dies Chem zufolge ganz anders aus, denn „man hängt von einer bestimmten Sorte Pflanze ab, und die wächst nicht immer genau wie erwartet". Die zelluläre Landwirtschaft ermöglicht eine genauere Abgrenzung der Werte und die Großproduktion homogenerer Produkte.

Statt auf dem Feld heranzuwachsen werden die Cannabinoide in gigantischen Metallwannen wie denen von Brauereien produziert.

Mit dem Verfahren lassen sich die Cannabinoide überdies sauberer herstellen, was besonders für Pharmakonzerne sehr interessant ist. Ginge es beispielsweise um Fleisch, so wäre das in etwa, wie jeglichen Chemikalienrückstand durch die Antibiotika, die zur Aufzucht eingesetzt werden, zu vermeiden. Bei Cannabinoiden wiederum gäbe es in diesem Fall keine Probleme mehr mit Pestiziden oder anderen Gefahren, die der traditionelle Hanfanbau birgt. Und natürlich könnten auch Ressourcen wie Erde oder Wasser gespart werden, von denen sonst, um beispielsweise nur eine kleine Dosis CBDV zu extrahieren, große Mengen aufgewendet werden müssen.

Genoma de la marihuana

Vollständiger Cannabis-Erbcode entschlüsselt

Im Gegensatz zu anderen Pflanzenarten hat es bei Marihuana relativ lange gedauert, an den vollständigen Gencode zu kommen, was die Forschung auf diesem Gebiet lange beeinträchtigt hat. Vor Kurzem jedoch gelang diesbezüglich ein Durchbruch, der sowohl für die Wissenschaft allgemein als auch für die Cannabisindustrie einen wichtigen Wendepunkt darstellt.

Dass eine Technologiefirma sich mit Cannabis beschäftigt und nicht die Landwirtschaft ist vielleicht ein Zeichen für das, was uns in der Zukunft erwartet.

Anlässlich einer Konferenz über das Genom von Pflanzen und Tieren Anfang dieses Jahres hat die amerikanische Firma Sunrise Genetics erstmalig den vollständigen Gencode der Cannabispflanze veröffentlicht. Das Genom der Pflanze setzt sich aus 10 Hauptteilen zusammen, und die hochauflösenden Sequenzierungstechniken der Firma machen es möglich, die Zusammensetzung der DNA-Ketten und die genaue Verteilung der Gene zu analysieren.

Dass die Geheimnisse der Marihuana-DNA enthüllt wurden ermöglicht den Firmen der Cannabisbranche, genauer zu untersuchen, welche Funktionen die verschiedenen Teile der Pflanze und ihre Inhaltsstoffe – bisher bekannt sind rund 500, darunter natürlich auch THC und CBD erfüllen und wie sie auf den menschlichen Körper wirken. Zudem können verschiedene Cannabissorten künftig leichter analysiert und Anbau- sowie Selektionsverfahren schneller und effizienter gestaltet werden.

Doch so vorteilhaft es für Produzenten, Wissenschaftler und Konsumenten auch sein mag, nun den ganzen Gencode von Cannabis zu kennen – es ist nicht alles Gold, was glänzt: So wurden bereits Stimmen laut, die vor den Versuchen verschiedener Landwirtschafts- und Pharmabetriebe warnen, sich bestimmte Marihuanasorten durch die Patentierung von deren genetischer Sequenz anzueignen, wie dies etwa auch bei Mais, Weizen und Tabak der Fall war. Dies würde Kleinproduzenten erheblich schaden.

Dennoch bleibt jenseits von derartigen potenziellen Komplikationen kein Zweifel daran, dass die Enthüllung des vollen Gencodes von Cannabis ein großer Fortschritt ist – nicht nur, weil die Hersteller so ganz genau wissen, was sie ihren Kunden verkaufen, und letztere, was sie kaufen, sondern auch, um die zahlreichen medizinischen Vorteile der Pflanze besser zu verstehen.

 

27/11/2018

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