- Seit seiner Wahl zum Präsidenten hat Rodrigo Duterte die Entkriminalisierung von therapeutischem Cannabis auf den Philippinen unterstützt.
- Diese Haltung steht jedoch in krassem Gegensatz zum blutigen Kampf gegen Drogen, den er seitdem eröffnet und der bereits tausende Leben gefordert hat. Zum Glück gibt ein neuer Gesetzesentwurf zur Legalisierung von medizinischem Marihuana den philippinischen Patienten Anlass zur Hoffnung.
Der unerbittliche Drogenkrieg, den der philippinische Präsident Rodrigo Duterte vor einem Jahr begonnen hat, hat bereits mehr als 13 000 Leben gefordert, darunter vor allem Abhängige oder kleine Dealer. Zum jüngsten – und einem der blutigsten – Massaker kam es diesen Sommer in der Provinz Bulacan: Sicherheitskräfte töteten dort innerhalb eines einzigen Tages 32 Personen. Menschenrechtsorganisationen zufolge genießen die Beamten nicht nur absolute Straffreiheit; tatsächlich starben sogar die meisten Menschen nicht durch die Hand von uniformierten Polizisten, sondern von Söldnern, die für die Sicherheitskräfte arbeiten.
Die eiserne Faust des Regierungschefs im Kampf gegen den Konsum und die Verbreitung einiger Substanzen, zu denen auch Marihuana zählt, steht in drastischem Widerspruch zur Unterstützung für therapeutisches Cannabis, die er seit seiner Wahl durch die Nationalversammlung im Mai vergangenen Jahres gezeigt hat. Als erster Herrscher auf dem asiatischen Kontinent verkündete er damals die Absicht, die Nutzung der Pflanzen zu medizinischen Zwecken zu entkriminalisieren.
Seine offene Haltung begründete Duterte kurz vor dem Amtsantritt mit den folgenden Worten: „Therapeutisches Marihuana ist ein Bestandteil der modernen Medizin. Viele Behandlungen, die gerade entwickelt werden, und sogar einige, die bereits auf dem Markt sind, schließen die Pflanze mit ein." Dennoch kündigte er an, diese nicht legalisieren zu wollen und auch weiterhin das Gesetz umzusetzen, sprich deren Verwendung zurückzudrängen und unter Strafe zu verfolgen. Diese Drohung hat er in den Monaten, die er bereits an der Macht ist, auch mehr als in die Tat umgesetzt.
Die Nutzung von Marihuana war lange Zeit eine Art offenes Geheimnis auf den Philippinen, und das trotz harter Strafen auf den Besitz einiger weniger Gramm, darunter Bußgelder von bis zu 400 000 philippinischen Pisos (8000 €), Gefängnis- und – bis diese 2006 abgeschafft wurden – sogar Todesstrafen. Vor Dutertes repressiver Drogenkampagne war es ganz alltäglich, in den Straßen der großen philippinischen Städte Marihuana zu riechen oder an einer Gruppe Jugendlicher vorbeizulaufen, die unauffällig einen Joint rauchten.
Nach Angaben der philippinischen Grower und der Gesellschaft der Marihuana-Befürworter herrscht ein drastischer Versorgungsengpass; die Durchschnittspreise für lokal angebautes Marihuana haben sich fast verdreifacht. Noch vor wenigen Jahren war Marihuana besonders in den Bergen im Norden von Luzon verbreitet, manche Städte hatten sich sogar nach und nach zu touristischen Zielen für alle Fans der Pflanze entwickelt. All dies gibt es heute nicht mehr.
Die Welle der Gewalt, die der Präsident seit seinem Amtsantritt losgebrochen hat, enthüllt eine völlig widersprüchliche Haltung: Trotz seiner Aussprache für medizinisches Cannabis werden auch weiterhin alle Bürger, die beim Besitz selbst kleiner Mengen zu therapeutischen Zwecken ertappt werden, hart bestraft; auf Verdacht hin dürfen die Polizisten problemlos auch in deren Privatwohnung.
Die Verwendung von bzw. Behandlung mit medizinischem Marihuana stellt also nach wie vor ein erhebliches Risiko dar, insbesondere im Großraum Manila, der Region, die von den Polizeirazzien und außergerichtlichen Hinrichtungen im Zuge des Kampfs gegen die Drogen bislang am härtesten getroffen wurde – und dies, obwohl sogar die katholische Kirche der Philippinen ihre Unterstützung für den medizinischen Konsum erklärt hat. Und das ist keineswegs nebensächlich, wenn man bedenkt, dass die Institution großen Einfluss auf die philippinische Regierung und Bevölkerung ausübt.
Schritte in die richtige Richtung
Glücklicherweise scheint eine Veränderung dieser Lage für die Nutzer von therapeutischem Marihuana immer näher zu rücken. Der Gesetzesentwurf 180 bzw. Philippine Compassionate Medical Cannabis Act, der ein Recht auf den Zugang zu medizinischem Marihuana und eine Ausweitung der Forschung über dessen medizinische Eigenschaften garantieren soll, wurde Anfang Oktober vom House Committee on Health einstimmig angenommen. Dem waren eingehende Beratungsgespräche mit betroffenen und sachverständigen Gruppen wie Patienten, Anwälten, Gesundheitspersonal, Vertretern der Cannabisindustrie und Aktivisten für die Entkriminalisierung vorausgegangen.
Wie Rodolfo T. Albano III, der Autor des umstrittenen Entwurfs und Vertreter des Bezirks Isabela (Hauptstadt der Provinz Basilan) erklärt, liegt das Ziel der Gesetzesinitiative darin, sicherzustellen, dass Patienten die für ihre Krankheit hilfreichste Behandlung bekommen und die Ärzte diese Entscheidung auch akzeptieren, sie jedoch zuvor über die möglichen Nebenwirkungen der Behandlung informieren müssen.
Das Kongressmitglied machte jedoch deutlich, dass dieser Entwurf weder auf Freizeitzwecke abzielt noch eine vollständige Entkriminalisierung der Marihuananutzung bedeutet, die übrigen Gesetze, die Konsum, Verbreitung und Anbau strafen, also auch weiterhin gültig bleiben.
Ein Netz aus Verteilungszentren
Die Gesetzesinitiative geht auch auf einige Einzelheiten des Systems ein, in dem Marihuana verschrieben und an die Patienten, die es brauchen, verkauft werden könnte. Einerseits wird die Philippine Drug Enforcement Agency zum Überwachungsorgan der Verteilung der Produkte an die Kranken ernannt, die durch eine ärztliche Bescheinigung beweisen müssen, dass sie die Voraussetzungen für die entsprechende Behandlung erfüllen.
Um diese Erlaubnis zu erhalten, müssen die Patienten ihre Krankengeschichte und die entsprechenden ärztliche Bürgeschreiben im Gesundheitsministerium (DOH) einreichen, das alle Unterlagen überprüft und entscheidet, ob eine Therapie zulässig ist. Die Ärzte wiederum müssen ein bestimmtes Spezialisierungszertifikat erwerben, um medizinisches Marihuana verschreiben zu können.
Außerdem muss die Behandlung eine weitere Bedingung in Bezug auf das Format erfüllen, in dem Marihuana verabreicht wird: Wie der Gesetzesentwurf deutlich macht, darf kein unverarbeitetes Marihuana – d. h. kein Teil der Pflanze als solche, z. B. zum Rauchen – ausgegeben werden. Erlaubt ist ausschließlich der Konsum von Öl, Tabletten, Kapseln oder anderen oral einzunehmenden Formaten.
Was das Verteilungsnetz betrifft, so bestünde dieses aus einer Reihe von Medical Cannabis Compassion Centres, die sich in Krankenhausarealen befinden und ihre Arbeit beginnen könnten, sobald sie die Erlaubnis des DOH erhalten haben. Die Lizenz würde ihnen erlauben, „Cannabis sowie dessen Folgeprodukte und Lehrmaterial zu erwerben, zu besitzen, anzubauen, herzustellen, an eingetragene berechtigte Patienten zu übergeben, zu transportieren, zu verkaufen und zuzuteilen".
Noch heißt es Warten
Obwohl er dieses Mal mehr Erfolg hatte als bei anderen Gelegenheiten, ist dies keineswegs der erste Vorstoß, mit dem Albano einen Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung der Nutzung von medizinischem Marihuana auf den Philippinen durchzusetzen versucht. Er war bereits 2014 gescheitert, als die Ärzteschaft die Initiative ablehnte.
Und auch jetzt ist ihm der Sieg noch lange nicht sicher, denn dem aktuellen Entwurf steht vor seiner endgültigen Annahme noch ein langer Weg bevor. Wenn das DOH sein Gutachten beendet hat, muss der Entwurf ein Beratungsverfahren für eine zweite Prüfung und schließlich eine neue Reihe von Debatten, Beratungsgesprächen und Verbesserungsvorschlägen durchlaufen. Nur wenn er all diese Hürden übersteht, wird in der Abgeordnetenkammer abermals über ihn abgestimmt und entschieden, ob eine dritte und letzte Prüfung durchgeführt wird. Das letzte Wort allerdings hat Duterte höchstpersönlich, der grünes Licht geben und so den Entwurf tatsächlich zu einem Gesetz machen oder aber ein endgültiges Veto einlegen kann.
Wird er angenommen, so würde dieser Gesetzesentwurf rund 500 000 Patienten, die während des ersten Jahres an Forschungsstudien und klinischen Tests teilnehmen müssten, sofortigen Zugang zu Marihuana gewähren. Außerdem wäre eine medizinische Forschungszeit nötig, bevor Marihuana komplett vertrieben werden kann, was abermals 3 bis 4 Jahre dauern könnte.
Obwohl die letzten Entwicklungen also Anlass zur Hoffnung für die Philippinen geben, eine Nation, die nach wie vor von Unterdrückung und Gewalt bestimmt ist, müssen sich lokale Cannabisnutzer und internationale Beobachter noch in Geduld üben, bis sie das endgültige Ergebnis dieses Prozesses erfahren können.
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