Marihuana und Sicherheit im Verkehr: Debatte über Analysemethoden und reale Risiken

  • Die Legalisierungswelle, die gerade durch die Welt läuft, weckt viele Debatten, wie beispielsweise die über Konsum und Autofahren.
  • Marihuana zählt zwar nicht zu den wichtigsten Risikofaktoren für Unfälle, dennoch aber gibt es Studien, die nahelegen, dass Konsumenten sich nur wenig bewusst sind, welche Gefahren das Fahren unter Marihuana-Einfluss birgt.
  • Auch ein klarer wissenschaftlicher Konsens darüber, bis zu welchen Grenzen THC im Verkehr sicher ist und welche Nachweismethoden verlässlich sind, fehlt bislang.

In den letzten Jahren sind bei der Normalisierung der Cannabisnutzung, ob nun für medizinische Zwecke oder als Genussmittel, beachtliche Fortschritte geleistet worden. Einmal erreicht, hat die Legalisierung jedoch ebenso aufgezeigt, dass einige Fragen noch zu klären sind. Zu den wichtigsten Themen diesbezüglich zählt die Sicherheit im Verkehr. Die mangelhafte Informationslage und der fehlende Konsens haben dazu geführt, dass die Behörden mancher Regionen die Cannabis-Community im Straßenverkehr ohne wissenschaftliche Beweisgrundlagen verfolgen, aber andererseits auch dazu, dass viele Konsumenten unter Marihuana-Einfluss ins Auto steigen, ohne die damit verbunden Risiken zu kennen oder zu kontrollieren.

Gleichzeitig wurden Studien durchgeführt, die nahelegen, dass nach der Legalisierung von Cannabis die Zahl der Autounfälle gestiegen ist, ohne eine wirklich klare Beziehung zwischen beiden Phänomenen nachweisen zu können. Außerdem schlagen aktuelle Cannabistests zum Teil noch Stunden und Tage an, nachdem man geraucht hat, was keineswegs heißt, dass die Wirkung noch anhält. Daher sind nun einige Fragen offen. Wie viel Marihuana ist zu viel fürs Autofahren? Wie erkennen die Behörden, ob ich unter psychoaktivem Einfluss stehe? Ist es gleich gefährlich, bekifft zu fahren wie betrunken?

Tatsächliche Gefahren von Cannabis am Steuer

Im Herbst 2017 veröffentlichte die Wissenschaftszeitschrift Plos One die Studie „Cannabis, Alkohol und tödliche Verkehrsunfälle", in der die Aufzeichnungen der französischen Polizei zu Autounfällen untersucht wurden. Die Daten – aus einer Datenbank mit über 4000 Fahrern – legen nahe, dass „Fahrer unter Alkoholeinfluss 17,8 mal wahrscheinlicher für einen tödlichen Unfall verantwortlich sind", während bei „Fahrer[n] unter Cannabis-Einfluss das Risiko, einen tödlichen Unfall zu verursachen, 1,65" mal höher liegt.

marihuana y conducción

Der Studie zufolge ist in Frankreich, dem Land mit den meisten Cannabiskonsumenten in Europa, Alkohol nach wie vor das größte Problem im Straßenverkehr, da 28 % der tödlichen Unfälle verhindert werden könnten, wenn kein Fahrer über den legalen Alkohol-Grenzwert käme – gegenüber 4 % bei Cannabis. Der Bericht ermöglicht eine klarere Einordnung des Zusammenhang von Cannabis und Verkehrsunfällen, der im Vergleich zu Alkohol relativ gering ist, nachdem Trunkenheit am Steuer den französischen Daten gemäß 11 mal gefährlicher ist als das Fahren unter Cannabis-Einfluss.

Andererseits glauben viele Cannabis-Konsumenten, dass das Autofahren nach dem Rauchen keine Risiken birgt. Eine von Health Canada durchgeführte Studie hat die kanadischen Behörden wenige Monate vor der Legalisierung von Marihuana als Genussmittel alarmiert, dass nur die Hälfte der Befragten, die im letzten Jahr Cannabis konsumiert hatten, der Meinung waren, Marihuana beeinträchtige das Fahrvermögen. 24 % erklärten, das sei unterschiedlich, 19 %, Cannabis habe keinerlei Einfluss.

40 % der Teilnehmer gaben zu, im letzten Monat irgendwann unter Cannabis-Einfluss gefahren zu sein. Diese Zahl ist sicherlich nicht gerade beruhigend für ein Land, das gerade an der Legalisierung des Konsums arbeitet, denn sie zeigt, dass das notwendige Bewusstsein fehlt. Andere Länder haben in diesen Fällen auf Bestrafung gesetzt, sprich die Kontrollen und die Bußgelder erhöht, doch diese Strategie ist nicht besonders wirksam und ziemlich ungerecht bei der Cannabis-Community, da die Analysemethoden alles andere als verlässlich sind.

marihuana al volante

Deshalb hat die kanadische Regierung entschieden, das Problem dieser mangelnden Sensibilisierung bei Cannabis-Nutzern durch öffentliche Bildungsmaßnahmen anzugehen. Die Föderalregierung kündigte an, in den nächsten 5 Jahren 46 Millionen Dollar auf Aufklärung und Aufsicht rund ums Thema Cannabis-Konsum zu verwenden. Kanada wächst gerade ohne jeden Zweifel zu einem der wichtigsten Modelle in Sachen Öffnungspolitik und wahrt zugleich auch die Interessen der Cannabis-Community .

Wie viel Cannabis ist zu viel, und wie wird es nachgewiesen?

Eine der größten Polemiken rund ums Thema Verkehrssicherheit und Marihuana betrifft die Nachweismethoden für Cannabis. Oft werden diese mit den für Alkohol gebräuchlichen Systemen und Werten gleichgesetzt, obwohl es sich eigentlich um zwei vollkommen unterschiedliche Stoffe handelt.

Erstens gibt es für Alkohol einen klaren Grenzwert im Blut, während bei Marihuana noch kein Standard festgesetzt wurde. Wenn man ein Glas Wein trinkt, kommt der Alkohol gleichzeitig ins Blut und Gehirn, und wenn seine Wirkung nachlässt, verschwindet er auch wieder gleichermaßen aus dem Blut und Gehirn. Bei Marihuana hingegen sieht dies völlig anders aus: Es kann noch Tage oder sogar Wochen nach dem Konsum im Blut bleiben, ohne dass dies hieße, dass der Betroffene unter psychoaktivem Einfluss stünde. Zudem wirkt THC ganz unterschiedlich auf verschiedene Personen, scheint also kaum ein verlässlicher Wert, um festzumachen, ob jemand fahruntüchtig ist oder nicht.

Dennoch ist es eine Tatsache, dass Marihuana die Wahrnehmung und das Fahrvermögen der meisten Menschen beeinträchtigt, besonders 20 bis 40 Minuten nach dem Rauchen. Der Staat Kalifornien hat deshalb entschieden, bei seinen Tests auf andere Parameter als THC zu setzten.

In Kalifornien hängt eine Verurteilung fürs Autofahren unter Cannabis-Einfluss von verschiedenen Aspekten ab, die der Polizist beurteilen muss, z. B. dem Grasgeruch im Auto oder einem Test der körperlichen Nüchternheit, wie er beim Verdacht auf Trunkenheit durchgeführt wird. Einige Polizisten sind auch speziell dafür ausgebildet, typische körperliche Anzeichen für die THC-Wirkung wie etwa geweitete Pupillen zu erkennen. Diese Strategie hat viel Aufmerksamkeit erregt, da sie sehr innovativ ist und sich von den aktuell gängigen Blutanalyse-Methoden entfernt, gegen die häufig aufbegehrt wurde.

Dennoch gibt es auch Stimmen, denen zufolge das System noch verbesserungsbedürftig ist. Andrea Roth etwa, Juraprofessorin an der Universität von Berkeley, hält diese physischen Tests für relativ subjektiv und für zu abhängig von der Einschätzung des Polizisten. Ihrer Meinung nach geben sie Spielraum für rassistische Verzerrungen, da die Polizei in den USA häufiger schwarze Fahrer und Latinos zu solchen Kontrollen auffordert.

detector THC

Eine andere Methode, an denen amerikanische Behörden großes Interesse zeigen, wurde von der Firma Hound Labs entwickelt. Es handelt sich dabei um ein Gerät, das einem Promillemesser gleicht und THC im Atem nachweist. Bislang wurden zwar noch nicht viele Untersuchungen dazu veröffentlicht, Mike Lynn, der Direktor der Firma, erklärt jedoch, dass THC wenige Stunden lang in der Atemluft bleibt, womit es sich um ein System handeln würde, das zeigt, ob ein Autofahrer vor kurzem Cannabis geraucht hat, auch wenn es nicht klärt, ob er tatsächlich unter psychoaktivem Einfluss steht.

Es stellt also schlussendlich eine gerechtere und verlässlichere Methode als die Blutanalyse dar, aber noch lange nicht den Heiligen Gral, nach dem Wissenschaftler und Behörden suchen: einen wissenschaftlich soliden Weg, bei Autofahrern Psychoaktivität durch Cannabis zu beurteilen.

 

26/04/2018

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