Marihuana-Edibles auf leerem Magen – eine schlechte Idee?

  • Auf dem Markt sind immer mehr Lebensmittel mit Cannabis erhältlich. Statistiken zufolge sind jedoch bei weniger erfahrenen Nutzern auch immer mehr negative Effekte wie Angstattacken oder Paranoia zu beobachten.
  • Studien betonen, dass es völlig anders wirkt, wenn man Marihuana isst als wenn man es raucht.
  • Außerdem ist es auch nicht das Gleiche, Marihuana-Produkte mit leerem Magen zu konsumieren wie mit vollem, auch wenn die Gründe dafür noch unklar sind.

Wirkt es stärker, wenn man Cannabis-Produkte mit leerem Magen isst? Dies ist womöglich die Frage, die sich Konsumenten über Cannabis-Edibles gerade am häufigsten stellen. Meistens kommen derartige Debatten jedoch zu keinem Ergebnis oder gründen sich nur auf persönlichen Erfahrungen und Anekdoten.

Bislang ist dieses Thema nur wenig erforscht, was zum Teil auch daran liegt, dass Cannabis in Ländern wie den USA auf Bundesebene noch verboten ist. Experten empfehlen dennoch häufig, die Cannabis-Lebensmittel nicht auf leeren Magen zu sich zu nehmen.

Dahinter steckt die Überlegung, dass man die Wirkung von Edibles stärker und länger fühlt – eine weit verbreitete Annahme, die für viele geradezu eine goldene Regel ist, für die es jedoch keine oder nur sehr wenig reelle Beweise gibt.

Häufig hört man, dass die Lebensmittel mehr Nebenwirkungen haben sollen, wenn man sie auf leeren Magen konsumiert, weil das THC dann schneller absorbiert wird. Eine richtige Erklärung abgesehen von dieser Absorptionsraten-Hypothese hat jedoch keiner.

Faktoren, die die Absorption von Cannabinoiden nach dem Edible-Konsum beeinflussen

Die Absorption der Cannabinoide, die in den Cannabis-Lebensmitteln enthalten sind, erfolgt nicht im Magen, sondern im Dünndarm. Der Magen fungiert lediglich als eine Art „Speicherkammer", die mit konstantem Rhythmus teilverdautes Essen in den Dünndarm abgibt. Wenn man vor der Einnahme der Edibles etwas isst, leert sich der Magen langsamer, sodass weniger Cannabis auf einmal in den Dünndarm kommt und dort absorbiert wird. Cannabis mit vollem Magen zu essen sollte also theoretisch eine zu schnelle Absorption der Cannabinoide verhindern.

Experten empfehlen, Cannabis-Lebensmittel nicht auf leeren Magen zu konsumieren. Konkrete Beweise, die dies bekräftigen, gibt es jedoch nicht.

Diese Erklärung steht jedoch in krassem Widerspruch zu einer anderen Tatsache:

Cannabinoide können nicht in fester Form absorbiert werden, sondern müssen erst aufgelöst werden. THC und andere Cannabinoide lösen sich nur sehr schlecht in Wasser, da sie hochgradig fettlöslich sind. Wenn man etwas isst, bevor man Cannabis zu sich nimmt, setzt die Gallenblase Gallensäuren frei, wodurch sich die Stoffe besser lösen. Grundsätzlich erhöht dies also die Absorptionsrate und -geschwindigkeit.

Erst eine einzige Studie scheint diesbezüglich Licht ins Dunkel gebracht zu haben: Sie stammt aus dem Jahr 2012 und sollte die Wirkung von Lebensmitteln auf die Absorption von Sativex testen, einem Spray mit einem 1:1-Verhältnis von THC und CBD. Ihr Ergebnis: Beide Cannabinoide werden bei leerem Magen schneller aufgenommen als bei vollem. Da der Großteil ohnehin hinuntergeschluckt wird, sollte sich dies auch auf reguläre Edibles übertragen lassen, auch wenn es sich bei Sativex um ein Mundspray handelt.

In nüchternem Zustand wurden THC und CBD viel schneller absorbiert und erreichten nach 1,5 Stunden die maximale Plasmakonzentration. Hatten die Probanden hingegen zuvor etwas zu sich genommen, so dauerte die Absorption viel länger, und die maximale Plasmakonzentration stellte sich erst 4 Stunden nach der Einnahme ein.

Weitere Hypothesen

- Die Absorptionsraten-Hypothese

Dieser Theorie zufolge verursachen Cannabis-Edibles mehr Angstattacken oder Paranoia, wenn sie auf leeren Magen konsumiert werden, weil das THC dann schneller absorbiert wird. Das könnte unter anderem daran liegen, dass man schneller isst als raucht, sodass der Körper schon per se mehr Cannabinoide in kürzerer Zeit aufnimmt.

Dies ist jedoch nicht der einzige Grund. Manche Experten glauben, dass unser Körper durch die orale Einnahme grundsätzlich mehr THC absorbieren kann, während beim Rauchen der Marihuana-Blüten der Großteil des THC verbrannt wird oder mit dem Rauch verloren geht.

- Die 11-OH-THC-Hypothese

Eine andere Hypothese nennt die Verstoffwechselung von Marihuana durch den Körper als Grund, die anders ist, wenn man raucht als wenn man isst. Wird Cannabis auf oralem Weg eingenommen, so durchläuft das THC den Verdauungstrakt, bis es in den Darm und schließlich in die Leber kommt, wo es verstoffwechselt und in die hydrolisierte Verbindung 11-Hydroxy-THC umgewandelt wird.

Dieses Zwischenprodukt ist sehr aktiv und dringt leicht durch die Membranen, die die Blutbahn vom Hirngewebe trennen – daher auch sein intensiver psychoaktiver Effekt. Man erhält also gewissermaßen eine viel potentere Version von THC, die schnell ins Gehirn dringt und deshalb stärker und länger zu wirken scheint als beim Einatmen.

Beim Rauchen oder Einatmen entsteht viel weniger von diesem Wirkstoff, sodass das High viel stärker ist, wenn man Lebensmittel mit Marihuana zu sich nimmt. Tatsächlich kann beim Konsum von Edibles sogar 10 mal mehr 11-OH-THC gebildet werden als auf anderen Konsumwegen.

- Die THC/CBD-Verhältnis-Hypothese

Die letzte Hypothese besagt, dass die unangenehmen Nebenwirkungen in nüchternem Zustand auf den Anteil von THC und CBD zurückzuführen sind. CBD blockiert das THC zwar nicht, reduziert jedoch gewisse Effekte einer hohen Dosis THC, wie etwa Angstattacken und Paranoia.

11-OH-THC ist eine viel potentere Version von THC, die schnell ins Gehirn dringt und deshalb intensiver wirkt.

Dass 11-OH-THC so viel stärker ist als THC muss berücksichtigt und gewissermaßen zum ursprünglichen THC-Anteil dazu addiert werden, um das tatsächliche THC/CBD-Verhältnis der verzehrten Sorte zu erhalten.

Dies hat man etwa auf Prof of Pot getan, einer Website, die sich der wissenschaftlichen Analyse der Wirkung von Marihuana widmet – und herausgefunden, dass nach dem Verzehr von Cannabis bei vollem Magen das totale THC/CBD-Verhältnis im Moment der maximalen Plasmakonzentration bei ungefähr 3:1 liegt, in nüchternem Zustand jedoch bei fast 9:1, also fast dreimal so hoch.

Selbst wenn ein Cannabis-Edible eigentlich ein THC/CBD-Verhältnis von 1:1 hat, käme sein Verzehr auf leerem Magen also dem Rauchen einer Sorte mit einem 9:1-Verhältnis gleich.

Die negativen Effekte der Cannabis-Edibles in nüchternem Zustand sind nach dieser Theorie jedoch weniger auf die schnelle Absorption von THC oder die Bildung von 11-OH-THC zurückzuführen als auf die geringe Absorption von CBD im Vergleich zu THC.

Fazit

Angesichts so vieler offener Fragen scheint es keine schlechte Idee, auf die Experten-Ratschläge zu hören und Cannabis-Edibles lieber nur nach einer soliden Mahlzeit zu konsumieren. Ein bisschen Fett sollte auch dabei sein, damit die Gallsäurenproduktion angeregt wird. Und vergesst bitte nicht, dass sich die maximale Cannabinoidkonzentration generell erst nach 4 Stunden einstellt, obwohl dies bei jedem Nutzer anders ist.

Eine Patentlösung hat man damit jedoch noch lange nicht: Die Wirkung ist von Fall zu Fall anders, und abgesehen von einem leeren Magen können auch andere Alltagsfaktoren den Effekt der Edibles beeinflussen. Auch wenn alles darauf hinweist, dass Cannabis-Lebensmittel in nüchternem Zustand tatsächlich stärker wirken, sind die bislang verfügbaren Informationen einfach zu widersprüchlich, um eine klare Antwort geben zu können.

25/06/2019

Kommentare unserer Leser

Noch keine Kommentare vorhanden. Wollt ihr die ersten hinterlassen?

Kommentar hinterlassen

Kontakt

x
Kontaktier uns