- Wusstet ihr, dass der Konsum von Cannabis ohne das Endocannabinoid-System keinerlei Auswirkung auf unseren Körper hätte?
- Der Mensch bildet nämlich ebenfalls von Natur aus körpereigene Cannabinoide, und genau diese Endocannabinoide sind die Erklärung für die überraschende Wirkung der Pflanze auf uns.
Obwohl Cannabis schon seit Jahrtausenden als Heilpflanze verwendet wird, ist die Cannabis-Forschung noch sehr jung. Erst 1992 wurde das Endocannabinoid-System entdeckt, als Wissenschaftler nach Erklärungen für die Effekte der Pflanze auf den menschlichen Körper suchten.
Im selben Jahr entdeckten die Forscher auch die sogenannten Endocannabinoide, natürliche Verbindungen, die den Cannabis-Inhaltsstoffen ähneln, aber von unserem eigenen Körper produziert werden, und begannen zu begreifen, dass der Effekt von Cannabis zumindest teilweise durch eine Imitation ebendieser Cannabinoide zustande kommt.
So wurde klar, dass es Cannabinoide außerhalb unseres Körpers gibt, die exogenen Cannabinoide, wie beispielsweise im Fall der Cannabispflanze THC und CBD (die auch als Phytocannabinoide bekannt sind, da sie pflanzlichen Ursprungs sind), und eben körpereigene oder endogene Cannabinoide.
Was ist das Endocannabinoid-System?
Das Endocannabinoid-System besteht aus einem komplexen Netzwerk von Cannabinoiden und Cannabinoid-Rezeptoren sowie Enzymen, die zusammen das zelluläre Gleichgewicht bzw. die Homöostase im Körper aufrechtzuerhalten und somit Veränderungen in den äußeren Bedingungen auszugleichen versuchen. Wenn dieser Gleichgewichtszustand in unseren Zellen, Organen und Systemen bedroht ist, tritt das Endocannabinoid-System in Aktion und bringt alles wieder ins Lot.
Taxonomische Studien haben ergeben, dass das Endocannabinoid-System unglaublich alt ist, da es sich vor über 500 Millionen Jahren entwickelt zu haben scheint. Zudem liegt es bei allen Wirbeltieren vor: Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien, Fische – sie alle produzieren Endocannabinoide!
Um die Funktionsweise des Endocannabinoid-Systems besser zu verstehen, kann man sich die in den Körperzellen verteilten Rezeptoren wie Schlösser vorstellen und die Cannabinoide wie Schlüssel, die diese Schlösser zu- oder aufschließen können. Wenn passende Cannabinoide an die Rezeptoren andocken, kommt es zu einer chemischen Reaktion, durch die die Rezeptoren entsperrt werden. Da es sich bei letzteren um Signaltransduktoren handelt, die die Freisetzung von Hormonen und Neurotransmittern regeln, werden dadurch physiologische Reaktionen ausgelöst.
Die zahlreichen Effekte der Cannabispflanze sind in strengem Sinne nicht ihr selbst zuzuschreiben, sondern werden durch unser Endocannabinoid-System bestimmt.
Wenn die Kombination aus Schloss und Schlüssel passt, geht gewissermaßen die Tür ins Zellinnere auf, und die Aktivierung durch diesen Öffnungsmechanismus führt dazu, dass die Rezeptoren Signale an die Zelle senden, die dieser sagen, was zu tun ist. Die Enzyme wiederum sind dafür zuständig, die Cannabinoide zu zersetzen, sobald diese ihre Funktion erfüllt haben.
Was sind die wichtigsten Cannabinoid-Rezeptoren?
Wenn man Cannabis konsumiert, gelangen die Phytocannabinoide wie THC und CBD ins Endocannabinoid-System und docken an die Cannabinoid-Rezeptoren an. Die zwei häufigsten Rezeptorarten sind dabei die CB1- und die CB1-Rezeptoren, obwohl diese auch eng mit Rezeptoren für andere Substanzen verknüpft sind, beispielsweise den Serotonin- und den Vanilloid-Rezeptoren.
Die meisten CB1-Rezeptoren – an die THC andockt – befinden sich im Gehirn, während die CB2-Rezeptoren, an die CBD passt, über den restlichen Körper verteilt sind.
Ursprünglich nahm man an, dass nur das Gehirn und die Nerven Endocannabinoid-Rezeptoren besitzen, doch man hat entdeckt, dass auch letztere auch auf der Haut, in den Immunzellen, Knochen, im Fettgewebe, in der Leber, Bauchspeicheldrüse, Skelettmuskulatur, im Herz, in den Blutgefäßen, der Niere und dem Magen-Darm-Trakt vorkommen. Heute weiß man, dass das Endocannabinoid-System bei einer Vielzahl von physiologischen Prozessen mitspielt, u. a. bei Schmerzempfinden, Gedächtnis, Stimmung, Appetit, Stress, Schlaf, Stoffwechsel, Immunabwehr und sogar den Fortpflanzungsfunktionen.
Die Endocannabinoide sind vermutlich eine der häufigsten und vielseitigsten Signal-Verbindungen, die wir kennen. Bislang am besten erforscht sind Anandamid und 2-AG, doch auch über die weniger häufigen Cannabinoide kommt nach und nach mehr ans Licht.
Was ist Anandamid?
Der Name „Anandamid" geht auf ananda zurück, was auf Sanskrit „Heiterkeit" oder „Freude" bedeutet und auf seine stimmungsaufhellende Funktion anspielt. Es wird auch als Arachidonylethanolamid (AEA) bezeichnet und interagiert auf ähnliche Weise mit den Cannabinoidrezeptoren wie bei den Phytocannabinoiden THC.
Der Chemiker Dr. Raphael Mechoulam, der in den 60ern als Entdecker von Delta-9-THC bekannt wurde, hat in den 90er Jahren zum ersten Mal Anandamid isoliert. Er entdeckte, dass unser Körper Anandamid „auf Nachfrage" bildet, um es dann einzusetzen, wenn der Erhalt der Homöostase dies erfordert.
Anandamid bindet hauptsächlich an die CB1- und CB1-Rezeptoren, genauso wie auch Cannabinoide wie THC, und hat einen z. T. starken Einfluss auf verschiedene physiologische Mechanismen, z. B. den Appetit, das Stimmungsbild, die Schmerzkontrolle und sogar Fruchtbarkeit.
Anandamid trägt unter anderem zur Regulierung der Homöostase bei, indem es die Bildung von Nervenzellen im Gehirn fördert. Dieser Vorgang wird auch als Neurogenese bezeichnet und ist für das Funktionieren des Gedächtnisses und des Lernens unverzichtbar.
Ein erhöhter Anandamid-Spiegel wurde auch im Blutkreislauf von Menschen festgestellt, die gerade eine anstrengende Tätigkeit absolviert hatten, was erklären würde, warum viele nach ausgiebiger sportlicher Betätigung ein regelrechtes Hoch erleben.
Was ist 2-Arachidonylglycerol (2-AG)?
2-Arachidonylglycerol (2-AG) ist ein weiteres sehr wichtiges Endocannabinoid, das zusammen mit Anandamid die Cannabinoidrezeptoren des zentralen und peripheren Nervensystems beeinflusst. Es handelt sich bei ihm um einen vollständigen Agonisten – d .h. um eine chemische Substanz, die an den Rezeptor bindet und dessen Aktivität erhöht – beider Cannabinoid-Rezeptoren.
2-AG ist das im Gehirn häufigste Endocannabinoid: Seine Konzentration ist rund 200 Mal höher als die von Anandamid. Auch ihm wird Einfluss auf die Appetitregulierung, die Funktionen des Immunsystems und die Schmerzkontrolle zugeschrieben.
Man weiß jedoch, dass 2-AG vor allem im Kreislauf eine wichtige Rolle innehat, da es direkt oder indirekt auf die Blutgefäße und das Herz einwirkt. Wissenschaftler von der Universität von Tokio haben zudem entdeckt, dass die Ausschüttung von 2-AG einen wichtigen Aspekt für das Hemmen von Krämpfen darstellt und das Endocannabinoid damit eine lebenswichtige Rolle bei neurologischen Erkrankungen spielen könnte, die die Motorik beeinträchtigen. Außerdem gibt es Theorien darüber, das 2-AG auch den Ausbruch von Schizophrenie beeinflusst, weshalb es auch zur Behandlung von psychischen Erkrankungen untersucht wird.
Andere, weniger bekannte Cannabinoide
Es gibt jedoch auch weitere mutmaßliche Endocannabinoide wie 2-Arachidonylglycerylether oder Noladin-Ether, Virhodamin, das als endogener Antagonist des CB1-Rezeptors gilt, und N-Arachidonoildopamin (NADA), ein Vanilloid-Agonist mit Affinität zu den CB1-Rezeptoren. Bislang weiß man allerdings nur sehr wenig über diese selteneren Endocannabinoide.
Der menschliche Körper steckt voller Geheimnisse. Von der Existenz des Endocannabinoid-Systems, das sich schon seit Jahrmillionen konstant weiterentwickelt, wissen die Forscher erst seit zwei Jahrzehnten, doch bereits jetzt verändert es unser Verständnis der biologischen Prozesse im Körper grundlegend. Es könnte Antworten über unzählige Krankheiten liefern, die momentan noch als unheilbar gelten.
Kommentare unserer Leser
Noch keine Kommentare vorhanden. Wollt ihr die ersten hinterlassen?
Kommentar hinterlassenHat dieser Post dir gefallen?
Deine Erfahrungen mit unseren Samen sind sehr wichtig für uns und können anderen Usern weiterhelfen. (Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.)