- Bevor man überhaupt von Entkriminalisierung spricht, - eine Zukunftsaussicht, die in Frankreich noch sehr weit entfernt scheint - sollte man für die Forderungen der Bürger und Konsumenten vielleicht besser ein glaubhaftes und zufriedenstellendes Modell berücksichtigen. Mehrere Lösungen wurden bereits in Betracht gezogen: die Bewirtschaftung der Branche durch den Staat mit dem Vertriebsmonopol, so wie es bereits mit dem Tabakgewerbe geschieht, oder die Übertragung der Produktion und des Vertriebs an Unternehmen, die unter staatlicher Kontrolle für die Entwicklung eines Wirtschaftssektors agieren. Eine andere Lösung sind die Cannabis Social Clubs (CSC), durch welche die Produktion und der Vertrieb außerhalb der Sphäre der Marktwirtschaft situiert werden können.
In einem Land mit fast 300 000 eingetragenen Vereinen basiert die Wahl für diese Rechtsform auf der Zusammenlegung von Produktionsmitteln und deren proportionalen Verteilung gemäß nach Menge des Beigetragenen. Sie reagieren damit auf die Bedürfnisse der Konsumenten von Marihuana, die andernfalls auf den Straßenhandel mit überhöhten Preisen und schwankender Qualität angewiesen sind. Diese Bewegung existiert seit Jahren in Spanien und in geringerem Maße auch in Belgien: der Zusammenschluss zum Anbau einer begrenzten Menge Hanf für den Privatkonsum der Mitglieder.
Marius hat seinen CSC zusammen mit ein paar Freunden gegründet, mit denen er Marihuana zuvor gemeinschaftlich kaufte. Vor 5 Jahren entschloss er sich, Cannabis durch Indoor Growing im Keller seines Vorstadthauses anzubauen. „Ein Cannabiszüchter, der gerade erst anfängt, braucht eine Startinversion von 3000 bis 4000 € für Materialien und Ausrüstung. Dann sollte man handwerklich geschickt sein und Zeit einplanen, um die notwendigen Kenntnisse zu erlernen. Indoorhanf ist ein bisschen so wie Crêpes: Am Anfang sind die ersten Ernten oft enttäuschend. Auch braucht man Platz, viel Sorgfalt und Zeit; die Ressourcen sind alle knapp. Die Anbaukosten für Indoor Growing fallen knapp unter 3 € pro Gramm, öfter etwa 5 €, während Qualitätsgras zwischen 10 und 12 € auf dem Schwarzmarkt verkauft wird. Daher ist es lohnend, sich für den Anbau zusammenzuschließen, da es komplizierter ist, allein anzubauen. Wir haben die Mitgliedschaft auf 10 Mitglieder beschränkt, denn bei mehr ist die Produktion zu industriell."
Marius gehört zu denen, die nichts von Cannabis-Outing und von Eintragungen bei der Präfektur wissen wollen. Er hat Satzungen erarbeitet und funktioniert wie ein normaler Verein mit Vollversammlungen und Vorstandswahlen, jedoch haben Diskretion und Verwischung ihrer Spuren oberste Priorität für ihn. „Ich bin Kiffer und kein Aktivist. Und ehrlich gesagt hasse ich Gefängnisse. Im Moment arbeiten wir wie ein Coffeeshop, sodass die Polizei sich nicht für uns interessiert, da wir eine kleine Vereinigung und immer äußerst diskret sind. Natürlich unterstütze ich den Kampf der Entkriminalisierung mit ganzem Herzen, aber ich glaube nicht, dass es eine gute Lösung ist, mit den Meinungen von Zeugen über Abweichungen des Gesetzes Gerechtigkeit zu verüben. Wir haben uns auf der Basis von Gemeinschaft zusammengeschlossen und finden, dass die Hinterlegung unserer Satzungen bei der Präfektur uns wahrscheinlich nur Komplikationen bringen würde."
Sprecher der CSC Frankreichs Dominique Broc vertritt die gegenteilige Ansicht: Die Zivilgesellschaft sollte sich organisieren und ihr ganzes politisches Entscheidungsgewicht nutzen, mit dem sie das Gesetz verändern können. Diesem Aktivisten zufolge ist die aktuelle Lage völlig unakzeptabel und die CSC stellen einen möglichen Weg aus dem Status quo dar. Im Jahr 2013 wurde ein Mann bekannt, der die Satzungen seines CSC bei der Präfektur Vendée eintragen ließ. Die Antwort der dezentralen staatlichen Behörden zeugt von diesem Widerspruch. Zuerst wurde die Eintragung von der Präfektur erfasst, doch dann appellierte der Generalrat an den Staatsanwalt mit der Aufforderung, das Gesetz in diesem Fall anzuwenden. Die Ordnungskräfte beschlagnahmten daraufhin 126 Hanfpflanzen in seinem Wohnsitz und der Mann wurde nach anfänglich geforderten 10 Monaten Bewährungsstrafe zu zwei Monaten und zu einer Geldstrafe verurteilt.
Der Mann ruft zu zivilem Ungehorsam und zum Widerstand auf, da in Frankreich „die Diskriminierung von Cannabis gegenüber Alkohol und Tabak die Bürger nicht zur Befolgung des Gesetzes verpflichtet, weswegen Bürger auf private oder gemeinschaftliche Nutzung oder auf den Anbau von Cannabispflanzen verzichten, obwohl diese sogar Heilmittel sein kann". Als Ziel wurde die föderative Vereinigung der verschiedenen französischen CSC beschlossen, um ihnen technische und rechtliche Unterstützung zu gewähren, vor allem aber um eine Lobby zu bilden, die viel Gewicht bei der Neudefinierung öffentlicher Politiken und dem Recht auf Eigenanbau hat. Er ist der Ansicht, dass er die Verantwortung für sein Handeln und dessen Risiken „im Namen der Würde der Bürger übernimmt".
Zu dieser Würde gehört dem CSC France zufolge auch der Aufruf zum moderaten und verantwortungsvollen Konsum von Cannabis. Dafür wurde bereits eine grüne Karte für verantwortungsvolle Kiffer online gestellt sowie auch eine weiße Karte, mit derem Download man seine Unterstützung zeigen kann. Laut Dominique Broc gibt es aktuell etwa 700 CSC in Frankreich, doch nur 20 von ihnen haben ihren Eintrag bei der Präfektur gewagt, was den Staat vermeintlich dazu veranlassen sollte, seinen Verantwortungen nachzukommen. Rechtlich basiert seine Argumentation auf einem Rahmenbeschluss der Europäischen Union datiert vom Oktober 2014, der vorsieht, dass „die Mitgliedsstaaten garantieren, dass der illegale Anbau von Cannabispflanzen strafrechtlich verfolgt wird", aber dessen Artikel 2.2 angibt: „Ausgenommen vom Anwendungsbereich des vorliegenden Rahmenbeschlusses sind diejenigen Personen, die ausschließlich für ihren Eigenkonsum gemäß der innerländischen Rechtssprechung agieren." Anders könnte man auch sagen, dass die CSC nicht als Teilnehmer vom Drogenhandel betrachtet werden können. Und deswegen nicht illegal im Sinne de Gesetze eines modernen Europas handeln, sondern dass die französische Gesetzgebung nicht im Einklang mit den europäischen Richtlinien liegt. Daher bleiben dies Arbeitsaussichten für Rechtsanwälte ...
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