- Am 20. September 2016 wurde die Spanische Beobachtungsstelle für Medizinisches Cannabis (Observatorio Español de Cannabis Medicinal, OECM) offiziell bei einer Veranstaltung vorgestellt und wir konnten dabei sein.
- Aufgabe dieser Stelle ist, medizinisches Cannabis in Spanien den Weg zu ebnen und auch die Forschung und Anwendung in der Medizin selbst zu fördern. Bei der Präsentation des Projekts, das im Auditorium des CaixaForum Madrid stattfand, konnten wir verschiedenen Vorträgen beiwohnen, die von anerkannten Forschern und Wissenschaftlern auf dem Gebiet angeboten wurden.
- Unter ihnen befand sich auch Manuel Guzmán, Professor an der Abteilung für Biochemie und Molekulare Biologie an der Complutense-Universität Madrid (Spanien) und Mitglied der Real Academia Nacional de Farmacia, der eine kurze Einführung zum Thema Cannabinoide hielt.
Cannabinoide sind Transformationsprodukte, die hauptsächlich in der Hanfpflanze (Cannabis Sativa) gefunden wurden und dank ihrer therapeutischen Eigenschaften im medizinischen Bereich Anwendung finden. Um zu verstehen, wie Cannabis auf unseren Organismus wirkt und warum er bei der Behandlung verschiedener Krankheiten eine so effektive Wirkung besitzt, ist es äußerst wichtig, die an diesem Prozess beteiligten Mechanismen und Akteure zu kennen.
Manuel Guzmán gehört zum Team der Spanischen Beobachtungsstelle für Medizinisches Cannabis und betont in seinem Vortrag, wie wichtig es ist, die wichtigsten aktiven Bestandteile von Cannabis zu identifizieren, wozu auch THC gehört. Diese Substanz ist dank der Studien von Raphael Mechoulam schon seit Jahrzehnten bekannt.
Viel mehr als nur THC…
Auch wenn THC der bekannteste aktive Bestandteil der Cannabispflanze ist, lassen sich noch über hundert andere Cannabinoide und außerdem noch weitere Elemente wie Terpene oder Flavonoide in der Hanfpflanze finden. Wie Guzmán erklärt, kennt man die pharmazeutischen Eigenschaften vieler Bestandteile noch nicht. Allerdings sticht der zweitwichtigste bioaktive Bestandteil dieser Pflanze hervor, ein würdiger Sekundant des THC auf molekularer Ebene: Cannabidiol, auch bekannt als CBD.
Wenn wir die Summenformel von Cannabidiol betrachten und sie mit der von THC vergleichen, können wir feststellen, dass die Ähnlichkeit außergewöhnlich ist. Aber auch, wenn sie sich sehr ähnlich sehen, sind die zwei Formeln nicht identisch und diese kleinen Unterschiede sind dafür verantwortlich, dass die Wirkung einer jeden Substanz anders ausfällt.
In diesem Zusammenhang gab Manuel Guzmán eine kurze Einführung zu den medizinischen Eigenschaften von CBD, einem Cannabinoid, das zurzeit voll im Trend liegt und folgende medizinische Eigenschaften besitzt:
- Entzündungshemmende Eigenschaften
- Ebenso wie krampflösende Eigenschaften
- Es ist ein wirksamer Neuroprotektor und
- hilft bei der Bekämpfung der Spastizität, weshalb es besonders für Personen geeignet ist, die an multipler Sklerose leiden.
- Es ist ein Antiemetikum. Das bedeutet, dass der Brechreiz unterdrückt wird, was besonders für Personen von Interesse ist, die eine Chemotherapie durchleben.
CBD verbessert außerdem die Verträglichkeit von THC, da es einige der unerwünschten Nebenwirkungen dieser Substanz entgegenwirkt, wie zum Beispiel Mundtrockenheit, Tachykardie und vor allem die Psychoaktivität, was ein besonders wichtiger Punkt ist, wenn wir von medizinischen Einsatzmöglichkeiten sprechen. Deshalb wird in einigen Therapien, die mit medizinischem Marihuana arbeiten, geraten, THC zusammen mit CBD einzunehmen.
Wie interagieren die Cannabinoide mit unserem Organismus?
Wie es schon Manuel Guzmán erklärte, war die bahnbrechende Arbeit von Raphael Mechoulam, der in den 60er Jahren die chemische Zusammensetzung von Cannabis entdeckte, essenziell, um die Grundlagen zu der Erforschung dieser Pflanze zu legen; nicht nur, was die pharmakologischen Wirkungsweisen angeht, sondern auch, um Derivate aus Cannabinoiden zu gewinnen, die es erlaubten, dessen Aktionsmechanismus besser kennenzulernen.
Ungefähr 30 Jahre nachdem Mechoulam und sein Team diese Bestandteile beschrieben hatte, trat ein Paradigmenwechsel ein, und zwar änderte sich die Sichtweise, wie die besagten Substanzen in unserem Organismus interagieren. Mit der Entdeckung des Endocannabinoid-Systems in den 90er Jahren kam die Erkenntnis, dass es in einigen unserer Zellen, zum Beispiel Neuronen, Moleküle gibt, die Cannabinoide spezifisch an unser System binden.
Cannabinoides, genauso wie die Wirkstoffe anderer Medikamente, wirken nicht durch Magie, sondern dadurch, dass sie sich an diese Moleküle binden, die sie erkennen und in den Organismus aufnehmen: die Rezeptoren. In diesem Falle Cannabinoid-Rezeptoren. Das sind Moleküle, die an der Oberfläche unserer Zellen sitzen (zum Beispiel der Neuronen in unserem zentralen Nervensystem) und in der Lage sind, spezifische Komponenten von Cannabis zu erkennen, wie beispielsweise das THC der Pflanze. Das bewirkt, dass die besagten Cannabinoide, wenn sie von diesen Rezeptoren erkannt werden, an diese Zelle andocken und dann zu einer erhöhten Durchlässigkeit führen.
Um diesen Prozess besser zu verstehen, können wir es mit einem Schlüssel und einem Schloss vergleichen. Das Cannabinoid wäre der Schlüssel, dass genau zu einem speziellen Molekular-Schloss (dem Rezeptor) passt. Deswegen sind nur die Zellen, die über ein solches Schloss verfügen, Cannabinoiden gegenüber empfänglich; und nur, wenn der Schlüssel exakt in das Schloss passt, ruft es in den Zellen eine Reaktion hervor: sie wird aktiviert sich oder gehemmt, je nach empfangenem Signal.
Entdecke das des Endocannabinoid-System
Es gibt zwei Arten von "Schlössern" in unserem Organismus: die CB1-Rezeptoren, die vor allem im zentralen Nervensystem zu finden sind und die CBD2-Rezeptoren, die mit dem Immunsystem in Verbindung gebracht werden und deshalb für eine entzündungshemmende Wirkung besitzen.
Bevor bekannt war, dass der Körper selbst Cannabinoide produzieren kann, schien es eine Laune der Natur zu sein, dass Cannabinoide nur von einer einzigen Pflanze produziert wurden, unter den ungefähr 300.000, die im Pflanzenreich zu finden sind. Die Frage, die sofort nach der Entdeckung aufkam, war: „Warum existieren diese Rezeptoren in unserem Organismus?" Die Anfangshypothese war, dass diese Rezeptoren in unseren Zellen die Aufgabe hatten, Partikel zu binden, die den Cannabinoiden sehr ähnlich sind; Moleküle, die wir als Lebewesen selbst produzieren und die sich an diese Rezeptoren andocken, um die Aktivität einiger neuronaler Schaltkreise zu modulieren.
Auf diese Hypothese stützte sich das Team um Raphael Mechoulam und entdeckte so die endogenen Cannabinoide oder das Endocannabinoid-System. Diese Moleküle ähneln denen der Phytocannabinoide (die von den Cannabispflanzen produziert werden) und werden im Gehirn aller Wirbeltiere produziert. Cannabinoide besitzen also Auswirkungen auf unseren Organismus, weil sie sie Aktionen dieser Endocannabinoide, die unser Organismus produziert, um bestimmte Prozesse zu kontrollieren, imitieren.
Was sind das für Prozesse und welche Bedeutung haben sie auf unseren Organismus?
Wie wir schon weiter oben erwähnt haben, beeinflussen die Cannabinoide verschiedene Funktionen oder Prozesse unseres Systems, indem sie mit den CB1-und CB2-Rezeptoren eine Verbindung eingehen. Um diese Prozesse besser zu veranschaulichen, erklärte Guzmán die Reaktionen, die das THC auf unser System hat und die Ursachen:
- Beeinträchtigung der motorischen Koordination und Aktivität: Das geschieht, wenn THC sich an die Cannabinoid-Rezeptoren andockt, die sich in den Gehirnarealen befinden, die mit diesen Funktionen in Verbindung gebracht werden, wie die Basalganglien.
- Erhöhter Appetit: Das geschieht, wenn sich das THC an die Rezeptoren andockt, die im Hypothalamus zu finden sind.
- Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten: Mehrere Studien weisen darauf hin, dass THC die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigt, wie zum Beispiel das Gedächtnis. Das geschieht durch die Interaktion der Rezeptoren, die sich auf der Rinde des Hypothalamus befinden.
- Unterdrückung des Brechreizes: Das geschieht, wenn THC sich an die Cannabinoid-Rezeptoren andockt, die sich im Zentrum unseres zentralen Nervensystems befinden und für das Gefühl der Übelkeit verantwortlich sind.
Guzmán skizzierte ein Schema, das uns hilft zu verstehen, welche Auswirkungen Cannabinoide auf unseren Organismus haben. Auf Basis der Studien von Raphael Mechoulam wurde in den letzten 50 Jahren ein grundlegender konzeptioneller Rahmen entwickelt, um zumindest verstehen zu können, warum die Cannabinoide der Pflanze einige Prozesse unseres Körpers beeinflussen und andere nicht. Auf Grundlage dessen können dann durch das erweiterte Wissen Therapiemöglichkeiten mit Cannabinoiden entwickelt werden, die dabei helfen, die Lebensqualität vieler Menschen zu verbessern.
Welche therapeutischen Vorteile bietet die Interaktion mit Cannabinoiden?
Manuel Guzmán weist darauf hin, dass das Wort "therapeutisch" nicht bedeutet, dass eine Substanz per se gut oder schlecht ist, das hängt vom jeweiligen Fall ab. Zum Beispiel ist ein Athlet, der im Olympischen Finale den 100-Meter-Lauf absolvieren will, nicht daran interessiert, seine motorischen Fähigkeiten durch den Konsum von Cannabis zu beeinträchtigen. Wenn aber im Gegensatz dazu eine Person an einer hyperkinetischen Störung leidet, wie zum Beispiel unbeabsichtigte Bewegungen des motorischen Systems, was bei einigen neurodegenerativen Krankheiten der Fall ist, die ungewollte Spasmen produzieren, dann besteht ein offensichtliches Interesse daran, die motorische Aktivität zu reduzieren.
Cannabinoide als Arzneimittel
Verschiedene Studien haben bewiesen, dass die Cannabinoide im medizinischen Bereich eine sehr wichtige Rolle spielen können, wegen ihrer unzähligen Eingeschalten, die bei der Behandlung bestimmter Krankheiten sehr nützlich sind. Im Anschluss zählen wir kurz die bemerkenswertesten Eigenschaften einiger Cannabinoide auf:
- Schmerzlindernd: sehr wichtig, bei Fällen von chronischen und neuropathischen Schmerzen
- Anti-Spastisch: sehr nützlich bei der Behandlung von Leiden, die mit neurodegenerativen Krankheiten assoziiert werden, wie multiple Sklerose.
- Unterdrückt den Brechreiz: sehr nützlich, um die Nebenwirkungen von Chemotherapien zu lindern
- Krampflösend: ist in einigen Fällen von Epilepsie, wie dem Dravet-Syndrom sehr nützlich
- neuroprotektive Wirkung: sehr wirkungsvoll bei der Behandlung neurodegenerativer Krankheiten wie Alzheimer
Sobald bewiesen wurde, dass Cannabinoide Eigenschaften besitzen, die auch im Bereich der Medizin Anwendung finden können, besteht die nächste Frage darin zu klären, ob die Cannabinoide auch als Medikament verwendet werden können. Wie Guzmán aufzeigt, gibt es eine Reihe von Parametern, die definieren, wie sicher und effizient ein Medikament ist. Mit den Cannabinoiden ist es wie mit jedem anderen Medikament auch, es muss eine „therapeutische Balance" gefunden werden. Das bedeutet, dass man nicht nur auf die therapeutischen Eigenschaften achten, sondern auch die Nebenwirkungen betrachten muss.
Die gute Nachricht ist, dass alles darauf hinweist, dass einer der Vorteile der Cannabinoide ist, dass sie keine schwerwiegenden Nebenwirkungen besitzen. Verschiedene wissenschaftliche Studien haben bewiesen, dass der Metabolismus der Cannabinoide langsam ist. Es sind Substanzen, denen es schwerfällt, in unseren Organismus einzudringen und zu verteilen. Außerdem verweilen sie mehrere Tage in unserem Organismus. Obwohl Cannabinoide nicht harmlos sind und einige Nebenwirkungen besitzen, wie zum Beispiel die Beeinträchtigung kognitiver Fähigkeiten, besitzen sie keine akute Toxizität, da sich die Rezeptoren nicht in den Bereichen befinden, die zum Beispiel für die Atmung oder den Herzschlag verantwortlich sind. Aus diesem Grund besteht kein Risiko für einen Kreislaufstillstand oder Störungen in den grundlegenden Vitalparametern.
Der einzige negative Punkt liegt in den Behandlungen, die den Einsatz von THC benötigen, da THC eine psychoaktive Wirkung besitzen, was für einige Menschen allerdings zu Genusszwecken von Interesse ist. Dennoch kann es ein Problem bei den Patienten darstellen, die täglich und über einen langen Zeitraum hinweg medizinisches Marihuana einnehmen müssen.
Bewertung der therapeutischen Balance der Cannabinoide
In seinem Vortrag versicherte Manuel Guzmán, dass Cannabinoide als Arzneimittel eingesetzt werden können und zumindest palliativ für bestimmte Krankheiten zum Einsatz kommen können. Heutzutage gibt es schon viele Patienten, die von diesen Eigenschaften profitieren.
Es handelt sich darum, Cannabis an die Bedürfnisse eines jeden Patienten anzupassen
Der Wissenschaftler wirft allerdings auf, dass es viele traditionelle, herkömmliche Medikamente gibt, die bei bestimmten Leiden oder Krankheiten besser anschlagen als Cannabinoide. Jedoch sollte man sich überlegen, ob die Nebenwirkungen dieser Medikamente die Vorzüge nicht aufheben. Benzodiazepin zum Beispiel sind bei der Behandlung von Angstzuständen wirksamer als einige Cannabinoide, wie CBD, aber die Langzeitnebenwirkungen von dem genannten Mittel sind viel aggressiver als die des CBDs.
Guzmán versichert, dass dies wahr ist und dass die Cannabinoide ihren Platz finden müssen: „Es handelt sich darum, Cannabis an die Bedürfnisse eines jeden Patienten anzupassen, egal ob es als alternative Medizin zum Einsatz kommt oder als Zusatz. Unter diesem Gesichtspunkt müssen wir berücksichtigen, dass die therapeutische Balance der Cannabinoide sehr positiv ist, die Effizienz kann zwar etwas geringer sein, aber die Nebenwirkungen sind auch problemlos tolerierbar, viel besser als die bei anderen Therapien."
Wie der Wissenschaftler bestätigt, können die Cannabinoide in einigen Fällen eine exzellente Wahl als alternative Therapie darstellen, vor allem, wenn der Patient die herkömmliche Medikation nicht toleriert, nicht auf das Arzneimittel anspricht oder nach langjähriger Anwendung eine zu hohe Toleranz entwickelt hat.
Das nennen wir Kombinationstherapie. Auf diese Weise können die Cannabinoide die Wirkung anderer, heute schon bekannter Arzneimittel ergänzen.
Guzmán versichert, dass heutzutage die Patienten, die am meisten von dem medizinischen Einsatz der Cannabinoide profitieren, diejenigen sind, deren Krankheit ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigt hat: Personen mit chronischen und/oder degenerativen Krankheiten.
Der Schlüssel zur Optimierung der Therapie liegt in der Erweiterung des Wissens über die verschiedenen Komponenten der Marihuanapflanze. Obwohl dieser Prozess in Spanien nur sehr langsam vorankommt, sind Organisationen wie die Spanische Beobachtungsstelle für Medizinisches Cannabis und Experten wie Manuel Guzmán dafür verantwortlich, dass in dem zukünftigen spanischen Gesundheitssystem tausende Patienten von dem Einsatz von medizinischem Marihuana profitieren können.
Wie man Cannabinoide verabreichen/ einnehmen soll
Wie Guzmán aufzeigt, können die Wirkstoffe von Cannabis aus der Pflanze selbst gewonnen werden, oder aus ihren Derivaten (Öle, Extrakte), die eine wichtige Quelle der Cannabinoide sind. Cannabinoide sind nur schwer in Wasser löslich, besitzen aber eine große Kapazität, sich in Organismen oder Fetten aufzulösen, weshalb die Arzneimittel oft in Ölen verabreicht werden.
Andererseits sind auch schon einige Medikamente auf dem Markt zu finden, die von den verschiedenen Regulierungsagenturen zugelassen wurden und mehr oder weniger Rohextrakte der Pflanze oder auch synthetische Cannabinoide enthalten.
- Sativex
- Reine Verbindungen: Kapseln mit THC
- Cesamet: synthetische Derivate aus THC
- Epidiolex: ein Präparat aus CBD
- Marinol: synthetisches THC
Laut Guzmán besteht nun der nächste Schritt darin, die Effizienz der gemischten Verbindungen gegenüber denen der reinen Verbindungen zu untersuchen. Heutzutage ist für gewöhnlich die Toleranz besser und in vielen Fällen auch die therapeutische Wirkung, wenn man die verschiedenen Cannabinoide mit sich ergänzenden Wirkungsweisen kombiniert. In einigen Fällen können gewisse Cannabinoide, wie CBD, einige nicht erwünschte Nebeneffekte von anderen Cannabinoiden wie THC abschwächen.
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